Dienstag, 13. Dezember 2011

kobuk und die subjektive wahrheit

mit watchblogs ist es so eine sache: ich mag sie nicht sonderlich. der grundgedanke, die fragwuerdigen methoden einiger medien oeffentlich und sachlich aufzuarbeiten, ist ein guter. mein problem damit liegt darin, dass man sich meist auf „nonaned-bullshit-medien“ stuerzt (lies: boulevard-medien), was dann meist ohnehin fast ausschliesslich von leuten gelesen wird, die diese meinung ohnehin teilen und dass ich immer hinterfrage, wer denn eigentlich die ueberwacher ueberwacht. da kann es dann schon einmal passieren, dass ein heute-fnord mehr (schaum)wellen schlaegt als ein bericht im standard, in dessen folge ein salzburger club zusperren musste, weil die redaktion „neonazi-veranstaltungen“ ortete, die sich als grufti-parties herausstellten, wo ein paar typen in raeuberzivil zu laibach tanzten. permanente desinformation und rufmord auf plattformen wie indymedia (die mich im netz zwar gerne als „troll“ und „nazi“ beschimpfen, deren sektion „linksunten“ dann aber doch einen vice-artikel ueber anti-wkr-demos 2011von mir vollinhaltlich kopiert hat) bleiben ebenfall unbeachtet.

gestern, am montag des 12. dezembers wurde von helge fahrnberger (@helge) via twitter verkuendet, dass man eine ziemlich große story in arbeit haette, medienvertreter koennen um vorab-infos ansuchen. meines blieb unbeantwortet, mit der begruendung, als blogger „drucke ich nicht auf totes holz“ - manche blog-projekte vergessen scheinbar schnell, wo sie herkommen und wie die bloggosphaere funktioniert.

die kolportierte geschichte wurde dann kurz vor mitternacht online gestellt, sie stammt von hans kirchmeyr (der als @bassena zu meinen followern auf twitter zaehlt), traegt den titel „wenn die ukraine hunde toetet, stirbt bei uns die wahrheit“ und eroeffnet wie folgt:

Straßenhunde sind keine Kuscheltiere, sondern übertragen Krankheiten und sind eine ernste Bedrohung, insbesondere für Kinder. Uns Couch-Tierschützern mag diese Sicht nicht gefallen, aber viele Menschen, die täglich mit Streunern konfrontiert sind, und oft selbst “wie arme Hunde” leben, empfinden es so.


ja. straßenhunde werden in der regel auch von niemanden als „kuscheltiere“ gesehen, das grosz der (mir bekannten) tierschuetzer und tierrechtsaktivisten verbreiten das auch nicht so. der hinweis auf die besondere gefahr fuer kinder ist typisch oesterreichisch, immerhin „muesse doch jemand an die kinder denken!“. dann die eigentliche wuchtel: couch-tierschuetzer. eine gewagte formulierung von jemanden, der medienkritik ueber eine online-plattform publiziert, die davon lebt, dass sie ueber die gleichen kanaele verbreitet wird, wie jene, welche die „couch-tierschuetzer“ verwenden. man koenne glatt von einem „couch-medienbeobachter“ sprechen, was ohnehin ueber das motto „wir lesen zeitung. wir schauen fern“ definiert wird. die feststellung, dass die menschen in der ukraine selbst „wie arme hunde“ leben, laesst mich hoffen, herr kirchmeyr hat sich vor ort ein bild von der lage gemacht, immerhin lebt der serioese journalismus von informationen aus erster hand, am besten aber macht man sich selbst ein bild davon. immerhin ist dieses land in der lage, eine fussball-em teilauszurichten. er selbst bezeichnet diesen absatz auf twitter mir gegenueber als „eine andere sicht auf die thematik“ (die im vorfeld zwar niemand abgestritten hat, aber meinetwegen). weiter geht es mit:

Und sie sind damit nicht allein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügte im Juli Rumänien: Allein im ersten Quartal 2010 seien dort über 2.000 Menschen von wilden Hunden angefallen worden.


gut vorstellbar! viele „westliche“ tierschutzorganisationen versuchen seit jahrzehnten, in diesen laendern groß angelegte sterilisations-aktionen durchzufuehren, errichtet aus spendengeldern private auffangstationen und versucht staatliche tierheime zu entlasten - die meisten dieser bemuehungen werden von korrupten beamten, politikern oder lokalen veterenaeren sabotiert und ausgebremst, was die lage nicht einfacher macht. die „hausgemachte“ loesung ist: die tiere einfach erschlagen.

Das soll nichts entschuldigen, was mit den Tieren passiert. Aber man sollte die Umstände kennen, bevor man über andere Menschen und ganze Länder urteilt.


doch, da soll entschuldigen. die lebensumstaende in diesen laendern sind kein geheimnis. die streuner sind immerhin auch nicht aus dem boden gewachsen, man verbot den menschen zu realsozialistischen zeiten, als man sie in die staedte umquartierte, ihre haustiere mitzunehmen und man lies sie einfach „draussen schlafen“, mit dem ergebnis, dass sie sich - wenig ueberraschend - unkontrolliert zu vermehren begannen. ob und was dagegen getan wird/wurde, siehe oben.


das ist auch einer der gruende, warum ich die toetungen der hunde kritisiere. wuerde man sie einschlaefern, koennte ich damit leben. sie allerdings zu tode zu foltern, ist nicht akzeptabel. irgendwann dieses jahr kam im deutschen fernsehen ein bericht ueber eine frau, deren ehemann (ich bin mir nicht mehr sicher, ob es in rumaenien oder der ukraine war) von einem betrunkenen jugendlichen erstochen wurde, weil er dazwischen ging, als er auf einen am boden liegenden hund eintrat.


genau diese menschen sind jetzt auch die ausfuehrenden elemente der toetungen.


das bringt mich zum naechsten punkt meiner kritik: die ukraine hat ein massives problem mit groestenteils drogenabhaengigen und hiv-infizierten straßenkindern. wie gedenken die behoerden, dieses „kosmetische problem“ zu loesen, um welches man sich ewig nicht kuemmern wollte? kanaldeckel zuschweissen, bis die em gelaufen ist? warum verstehen so viele menschen - wie herr kirchmeyr - nicht, dass der aufschrei gegen die hundstoetungen nicht selten damit einhergeht, dass man aufzeigt, wie probleme in diesen laendern geloest werden? in oesterreich wurde vor kurzem vom verfassungsgerichtshof (!) festgestellt, dass katzen streunen duerfen. in der ukraine werden sie am schwanz gepackt und gegen waende geschlagen (was neben den hunden momentan gerade etwas untergeht, ja, man schlachtet auch tausende katzen ab, quasi „in einem aufwisch“). dem ukrainischen justizminister konnte man letztens beweisen, dass er einen in deutschland als gestohlen gemeldeten mercedes faehrt. wer hat jetzt das recht, die moralkeule in wessen namen zu schwingen?

den restlichen artikel auf kobuk reitet man durchgehend auf fotos herum, welche die krone als „von dort“ abdruckte, tatsaechlich aber vor jahren wo anders entstanden (viele tierschuetzer lehnen dieses stilmittel ohnehin ab). sensationell ist die feststellung nicht gerade, dass in der krone bilder mit falschen subtexten abgedruckt werden, was ich schlimm finde, ist das staendige fazit „das bild ist ein fake, die ganze geschichte wird durch die krone-kampagne unglaubwuerdig“. das sind mechanismen, welche die arbeit von tierschuetzern und monate zurueckwerfen können, weil, und das sollten die kollegen bei kobuk wissen, neigt der oesterreicher dazu, solche informationen unhinterfragt aufzusaugen und 1:1 in gespraechen auszuspucken. deshalb bin ich auch erschrocken, dass der artikel von so vielen menschen binnen der ersten 10 minuten applaudierend im netz verbreitet wurde, die ihn vermutlich nicht einmal zu ende gelesen haben.

herr kirchmeyr spricht auf twitter weiter von einem „stilmittel“, eines, welches ich vom tendenziell hundefeindlichen standard nur zu gut kenne (als ich herrn rauscher wegen 'hund biss frau'-artikeln, in denen zum vergleich mit anderen nachrichtenseiten wie zB orf.at die haelfte des apa-textes fehlte, der das geschehene weniger tragisch aussehen lies, ein recht ausfuehrliches mail schickte, antwortete er mir mit einem einzeiler, ohne anrede oder schluss, nicht einmal satzzeichen wollte er mir zugestehen), wo man vermutlich nicht von einer „kampagne“ sprechen kann (bei der krone wuerde man es), aber der urbane und liberale forenposter (das dortige gegenstueck zum leserbriefschreiber) ergeht sich danach dennoch hemmungslos in postings wie „hunde verbieten“ bis „hunde erschiessen“. aber jetzt schweife ich ab.

abschliessend moechte ich noch schreiben, dass dieser artikel ohne dieser einleitung und das „wag-the-dog-ende“, welches ich als ziemlich zynisch empfinde, wenn man den film kennt, seine berechtigung hat, sofern herr kirchmeyr den grundton des textes auf „die krone schadet dem tierschutz durch verbeitung falscher medien und sabotiert damit das gesamte anliegen, denn gut gemeint ist selten gut gemacht“ angelegt haette, anstatt die kleinste geige der welt zu spielen.

kobuk muss aufpassen, dass es nicht zu dem wird, was es blosszustellen sucht.