Montag, 10. Dezember 2012

linksextremismus als kammerspiel.

als ich im jahre 2002 zum ersten mal die gelegenheit hatte, death in june live in wien zu sehen, war die aufregung im vorfeld keine kleine. das doew warnte ganz eindringlich vor den rechtsradikalen douglas pearce und boyd rice, die homosexuelleninitiative hosi hob besonders die schwulenfeindlichkeit der band di6 hervor (ungeachtet dessen, dass pearce selbst damals seit jahrzehnten offen homosexuell war und eine regenbogenfahne seit je her das buehnenbild mitziert) und schliesslich kam auch ein beitrag auf orf.at. am konzertabend selbst fanden sich dann eine hand voll westbahnhof-punks im damaligen monastery ein, kontrollierten das lokal und die ersten besucher anhand einer aus dem internet ausgedruckten listen von in deutschland verbotenen symbolen und trabten dann nach einem freibier seitens des hausherren doch etwas entaeuscht wieder ab, als sie feststellten, dass da keine horden von skinheads und vapo-aktivisten eintrafen, sondern die selben grufties, die man auch sonst jeden samstag abend dort treffen konnte. die drei zivilpolizisten in jogginghose mit dem fotoapperat schossen dann noch einige photos (irgendwo in deren archiven proste ich ihnen auf einem bild zu), das konzert fand wie geplant statt, es gab wie zu erwarten nichts zu beanstanden und am tag danach war das thema wieder fuer alle gegessen.

als pearce 2004 solo erneut in wien spielte, war im vorfeld nichts. wirklich nichts. vielleicht gab es fuer die lokale antifa gerade dringlicheres zu tun als das selbe theater wie zwei jahre zuvor aufzufuehren, jedenfalls war es ein ruhiger abend, pearce spielte knappe drei stunden, erzaehlte vieles zu seinen liedern und aus der bandgeschichte und das publikum war zufrieden.

nach einer langen pause - 2004 haette eigentlich die abschiedstournee werden sollen - ging pearce 2011 erneut auf tour, immerhin galt es 30 jahre death in june zu feiern. das konzert in wien wurde, wohl wegen der ereignisse von 2002 und weil es ein neuer veranstalter war, konspirativ ausgerichtet und fand letztlich in der ottakringer brauerei statt. der veranstalter tat eigentlich gut daran, denn das eigentliche echo gab es nach dem auftritt.

das infoportal „stoppt die rechten“, welches als medieninhaber den gruenen rathausclub ausweist, brachte einen langen artikel ueber di6, wo neben den ueblichen erfindungen indymedias von vor 10 jahren viele texte und symbole der band oberflaechlich und ohne jeden zusammenhang zerlegt wurden und am ende als DIE neonaziband seit landser wieder zusammensetzte. es stimmt schon, wenn man sich mit dieser band nicht tiefer beschaeftigt, dann kann man in einige dinge viel interpretieren. pearce ist sich dessen auch bewusst und setzt es als kuenstlerisches stilmittel ein. immerhin hat diese band in ihren 30 jahren quasi eine eigene mythologie erschaffen, die das who is who der post-punk/industrial/neofolk-szene von albin julius bis david tibet auf dutzenden platten und cd's festgehalten hat. wenn man da aus einem fuenfminuetigen lied zwei zeilen herauspickt, sieht das so aus - dieser song, „we drive east“ von 1986, wurde besonders von der kpoe beanstandet:

Let loose from the leash
To hunt the Bolshevik beast
We paid in blood

wenn man den ganzen text liest, findet man aber auch zeilen wie:

Carry your banner
Forward to the skies
The hangman waits
A noose for you Workers, soldiers
Agitators
Marching to the incinerator
Now we pay our debts
To die on the Steppes
We paid in blood


da schaut der kontext gleich wieder anders aus. ansich moechte ich hier nicht weiter death in june im detail besprechen, das haben andere vor mir bereits vollstaendiger getan und allein ein blick in die englische wikipedia genuegt um zu sehen, dass hier von links heisser gekocht als gegessen wird.

worueber ich hier sprechen moechte sind die ereignisse rund um die beiden konzerte ende november 2012. erstmals angekuendigt wurden sie ueber die offizielle mailingliste von di6, der erste termin war bald ausverkauft, so dass man einen zweiten fixierte. als special an diesem abend war die premiere des films eines syrischen regisseures angesetzt, der einige songs von di6 im soundtrack verwendete. stattfinden sollten beide abende im club massiv, welcher den meisten wiener nachtschwaermern ein begriff ist.

als erstes meldete sich die trotzkistische „sozialistische linkspartei“ (slp) zu wort und forderte per youtube-video auf, dieses konzert zu verhindern. zu meiner verwunderung wurde dieses video von jemanden eingestellt, der mir seit zwei jahren auf twitter folgt (aus diskretion moechte ich hier nicht weiter auf die identitaet eingehen) und in einer anschliessenden diskussion argumente brachte wie „das glaub ich dir nicht.“, obwohl ich schriftliche quellen von pearce oder dritten anfuehrte. offenbar hat die durch langzeitarbeitslosgket motivierte, einseitige politische arbeit seine spuren hinterlassen.

die slp rief zu einer demo gegen den veranstalter - das plattengeschaeft „totem records“, welches nicht, wie von der slp kolportiert, ein label sei - auf, zu der schliesslich zwei slp-aktivisten samt megaphon auftauchten, flankiert von drei polizisten. das lasse ich einfach so stehen.

schliesslich rief auch die wiener kpoe auf, das konzert verhindern zu wollen, ploetzlich war da von einem nicht naeher beschriebenen „aktionsbuendnis“ die rede. scheinbar zeigte es wirkung und die konzerte wurden einige tage vor termin vom club massiv abgesagt. dazu spaeter mehr.

am ersten konzerttag versammelten sich ca. 20 antifaschisten bei der u3-station rochusgasse und feierten die absage der konzerte. zwar behauptete oben besagter, ehemaliger follower, dass hier mehr als 60 personen anwesend waren, aber auf seinen, ironischer weise über getty images lizensierten, bildern, sind um die 20 zu sehen. später las ich in einem blog, dass journalisten, die darueber berichten wollten, bedroht wurden, man ihre presseausweise verlangte und sie wegweisen wollte. offenbar wird der stalinistische geist der politischen pressezensur hier noch ganz hemmungslos gelebt, hier werden sich aber auch in kuerze die gruenen einreihen.

die konzerte fanden trotzdem statt. das „totem“ wurde kurzerhand ausgeraeumt, pearce spielte beide konzerte, schoen wars, nichts ist passiert, auch wenn anonym an beiden abenden die polizei vorbeischickte, die dann aber wieder abzog, weil es nichts zu beanstanden ging, sehr zum aerger der verhinderten verhinderer, die hier wie ueblich eine faschistische verschwoerung zwischen staatsschuetzern und neofaschisten sahen. merke: wenn sie sie brauchen, ist die polizei schon okay, aber auch nur so lange, wie sie in ihrem sinne vorgehen. mit sicherheit haette man hier nichts gegen ein bisschen handgreiflicher repression gehabt, doppelmoral war immer schon eine linksextreme spezialitaet.

nach den konzerten stellte sich heraus, wieso die gigs im club massiv wirklich abgesagt wurden. es hatte nichts damit zu tun, dass der clubbesitzer die band auf einmal fuer rechtsradikal hielt, im forum von gothic.at bekam man ein zitiertes statement von herren florian zu lesen:

"Ja durchaus traurig diese Entwicklung. Leider ist uns als Veranstaltungstätte eindeutig von Seiten der Polizei, Mba, Sicherheitsbüro Wien, Ma36 usw erklärt worden, dass dieses Konzert nicht im Club Massiv stattfinden wird. Sogar in den Kindergarten meiner Tochter wurden Drohmails geschickt. Die Volksschule Kolonitzplatz wurde aufgefordert Kinder nicht mehr in der Nähe des NS-Lokals Club Massiv spielen zu lassen." 

zusammengefasst: die konzerte wurden dort abgesagt, weil hier erpresst wurde. als vater einer kleinen tochter kann ich natuerlich verstehen, dass man sowas sehr ernst nimmt. die methode dahinter ist die widerwaertigste, die es wohl gibt und ist besonders auch in rechtsradikalen kreisen sehr beliebt: wenn die adressierte person nicht sofort spurt, dann drohe seinen naechsten und sorge dafuer, dass sein ruf in den dreck gezogen wird.

wenn der verfassungsschutzbericht jedes jahr neben dem anstieg rechtsradikaler straftaten auch einen anstieg ebensolcher aus dem linksradikalen spektrum aufzeigt, ist die empoerung in linken kreisen traditionell hoch. „sowas gibts bei uns ja gar nicht!“ wird dann im forum von derstandard.at aufgeheult und um das zu unterstreichen featured man ausfuehrlichst berichte ueber 17-jaehrige lehrlinge, die auf facebook skrewdriver zitiert haben und man dafuer moeglichst lange hinter gitter wissen will. wenn jetzt aber offensichtlich kindergaerten und schulen von linksextremisten bedroht werden, ist das dem qualitaetsblatt keine zeile wert.

schliesslich schaltete sich auch die bereits besagte gruene seite stopptdierechten.at ein und brachte einen review zu dem konzert. in bester autistischer manier nahm man pearce' kommentar „thank you for listening to this antisemitic tunes, here's another one!“ bierernst und fordert konsequenzen fuer den veranstalter. als ich mit deren twitter-account zu diskutieren begann und einige der beanstalteten titel und symbole aufzuklaeren suchte, wurde ich mit „nicht ablenken!“ und „diskussion beendet!“ abgespeist. offenbar ist das, neben formulierungen wie „braune barden“, wohl das unmittelbare ergebnis der zuwendungen durch das gruene bildungswerk. scheinbar stimmt meine theorie vom politischen paralleluniversum, wo sich deren bewohner jedem argument gegenueber verschliessen um nicht in verlegenheit kommen zu muessen, einen inhaltlichen fehler zugeben zu muessen. dass luegen eine beliebte politische taktik ist, mag nichts neues sein, aber fuer eine den supersauberen, 100% bio- und antikorrupten gruenen nahe plattform sollte das der mutterpartei bauchschmerzen bereiten, denn die nachrede deshalb ist schon nicht mehr zu ueberhoeren.

apropos luegen: stopptdierechten.at behauptete gestern, dass pearce letztes jahr „nationalsozialismus, jetzt jetzt jetzt!“ gerufen haben soll. letztes jahr schrieben sie noch, dass diese rufe aus dem publikum kamen. ein bekannter schilderte dieses ereigniss so (es handelt sich dabei um einen journalisten):

ia, da waren zwei so fpö-jugend-schlatzis, ich stand neben denen, die sind beim anfang des lieds, als ob sie nur auf das eine gewartet hätten, aggressiv zur bühne, haben einen pseudopogo gehupft, einen dreadlockigen, der auch seinen platz haben wollte, niedergestossen und zum schluss haben sie ebenjenes gerufen (man hört das auch im video). nach dem lied haben sie verächtlich den blick übers dij-publikum streifen lassen und sowas wie "komm wir hauen ab" gesagt.“

einige antifa-aktivisten behaupten auch, dass im publikum amtsbekannte neonazis aus dem umfeld von „alpe-donau“ anwesend waren und sie von ihnen fotos gemacht haetten. auf nachfrage wurde mir gesagt, dass man diese fotos nicht veroeffentlichen werde. ich denke mir meinen teil ueber die existenz der bilder. es stimmt, es ware eine gruppe ausgewiesener skins dort. es waren ca. 6 personen, die an ihrem tisch standen. letztlich muss man hier sagen, dass man in einem freien land nicht jedem den zutritt zu konzerten verweigern kann und deshalb den rest des publikums und die band in sippenhaftung zu nehmen, ist nicht nur verblendet, sondern auch billig. 2002 und 2004 waren solche leute noch nicht anwesend, hier gleich mein dank an die antifa, diese band den neonazis ueberhaupt erst schmackhaft gemacht zu haben. pearce meinte in den 90ern einmal, auf die frage, warum denn keine skinheads auf seine konzerte kommen wuerden, dass er diese gruppe nicht ansprechen wolle und es auch schlicht nicht ihre musik sei.

oder besser gesagt „war“.

natuerlich wird es keinerlei konsequenzen fuer slp, kpoe und gruene geben, aber ich hoffe, die leser dieses textes konnten sich ein differenziertes bild darueber machen, wie linksextremisten hierzulande ihre interessen durchzusetzen wissen, voellig am medialen mainstream vorbei, denn dieser ist am linken auge blind. wie sowas in deutschland gehandhabt wird, kann man sehr schoen hier nachlesen: https://www.facebook.com/Reithalle/posts/488131831226964

vielleicht schafft oesterreich das auch irgendwann, bis dahin kann man nur hoffen, dass der naechste generationenwechsel in der antifa wieder ein bisschen mehr hirn mit sich bringt.