Sonntag, 27. Mai 2012

das politisch korrekte lexikon I.

im zuge der debatten um aeußerungen der herren grass und darabos, wurde oft der vorwurf des „antisemitismus“ laut. in oesterreich und deutschland funktioniert das ja wunderbar, der ganz im sinne von antifaschismus und politischer korrektheit geschulte staatsbuerger wird dann sofort die goschn halten. das geht oft schon so weit, dass mir schon leute begegnet sind, die sichtliches unwohlsein dem wort „jude“ gegenueber hatten, hemmungen verspuerten, es auszusprechen und stattdessen lieber „hebraeer“ sagen. leider passieren dann auch ganz schreckliche missverstaendnisse und personen, die nie etwas judenfeindliches gesagt haben, werden (medial) angegriffen, als waeren fotos von ihnen aufgetaucht, wo sie vor einer gaskammer in auschwitz stehen und lachend mit den haenden am hals so tun, als wuerden sie ersticken.

um zukuenftigen fehlinterpretationen vorzubeugen, nachfolgend eine kleine nachhilfe in sachen „begriffsdefinitionen“.

„juden sind untermenschen.“, „juden wollen die weltherrschaft an sich reissen.“, etc. = antisemitismus.

„israel ist ein illegitimer staat.“, „israel muss vernichtet werden.“, etc. = antizionistisch.

„ich finde, was israel da macht, ist falsch.“, „die israelische politik gegenueber den palaestinensern ist kontraproduktiv.“, etc. = kritik an der politik der israelischen administration.

„ich mag minister xyz nicht.“, „was herr/frau sowieso da sagt, finde ich scheisse.“, etc. = kritik an einer bestimmten person des offiziellen israels.

der shitstorm, der sich in den letzten wochen ueber grass ergoss und jetzt auf minister darabos uebergreift, wird vom vorwurf des „antisemitismus“ begleitet. weil es unangenehm ist, was sie gesagt haben und man es deshalb - samt der urheber - diskreditieren moechte. ich haette es nie fuer moeglich gehalten, dass ausgerechnet ich einmal partei fuer den heeresvernichter darabos ergreife, aber bei aller antipathie, einen groesseren antifaschisten wie ihn hat dieses amt hierzulande noch nicht gesehen, was den vorwurf nur umso laecherlicher macht.

vielleicht sollte man gerade jetzt mut zur eigenen meinung zeigen. abschliessend noch ein zitat des von darabos kritisierten avigdor liebermans:

The vision I would like to see here is the entrenching of the Jewish and the Zionist state. I very much favor democracy, but when there is a contradiction between democratic and Jewish values, the Jewish and Zionist values are more important.

Mittwoch, 23. Mai 2012

von unibrennt zum café rosa. eine chronik des verfalls.

das café rosa. anfaenglich lediglich linken studenten ein begriff, war es spaetestens vor wenigen monaten in aller munde, als sich herausstellte, dass hier 450.000 euro an oeh-geldern investiert wurden, teilweise  sofort ersichtlich, warum. es sollte ein „antikapitalistisches“ konzept realisieren, wonach man keinen „gewinn erwirtschaften“ wolle und dem vernehmen nach wurde das personal zu gehaeltern eingestellt, von dem servicepersonal andernorts nur traeumen kann. prinzipiell ist dagegen ja nichts zu sagen, wuerde das nicht zulasten der studierenden gehen, die dieses ideologische experiment voll durchfinanzieren. oeh-vorsitzende wulz beteuerte, nichts mit dem café zu tun haben, ist jedoch seit gruendung als kassier eingetragen; diese funktion legte sie mittlerweile stillschweigend zurueck. zwei weitere administratorinnen wurden wundersam zeitgleich schwanger und legten ihre funktionen ebenfalls nieder. soviel spießbuergertum muss sein.

seit maerz sei man also auf paechtersuche. mit diesem stummen eingestaendnis des scheiterns existierte das café zwar weiter, aber die zukunft war ungewiss. nicht wenige studenten fuehlten sich gefrotzelt, dass in zeiten von finanzmaroden unis und prekaeren lebensverhaeltnissen vieler studenten fast eine halbe million an oeh-geldern in ein politisches etablissement gepumpt wurden, wo laut satzung nicht einmal alle studenten willkommen sind, wo man sich zwar für vielfalt, toleranz und offenheit einsetze, veranstaltungen allerdings mit dem vermerk abgehalten werden, dass „maenner unerwuenscht“ seien.

schliesslich passierte am 21.5. etwas, dass man getrost als kabarettreif bezeichnen konnte: einige autonome studenten, die der unibrennt-bewegung zugehoerig sein sollen, besetzten in einer scheinbar mit den cafébetreibern abgesprochenen aktion das „rosa“, erklaerten es für „befreit“ und wollten es ab sofort „selbstverwaltet“ weiterfuehren. ich interessierte mich natuerlich dafuer, wie sowas aussehen sollte und der von mir auf twitter wegen vorangegangener differenzen blockierte indymedia-autor und aktivist jonas reis meinte zu mir, dass ich das wissen wuerde „haette ich nicht alle blocked, die meinen ego-trip nicht mitmachen“ - als ich ihn entblockte, mit dem vermerk, ich wuerde mir das gerne anhoeren, bekam ich netterweise ein „leck mich“ als antwort.

in der wiener antifa begegnet man kritikern zumindest mit einer gewissen portion ehrlichkeit. man weiss, woran man bei ihnen ist und auch gleichzeitig, warum man getrost einen bogen um sie machen kann, egal, wie sehr man mit ihren kernzielen symphatisiert.

ich war 2009 dabei, als das audimax von der sich aus dieser aktion herausbildenden unibrennt-bewegung besetzt wurde. ich habe mich mit ihnen und ihren anliegen solidarisiert, nicht nur, weil meine frau selbst studentin ist und unter der zunehmenden bevormundung der ausbildung zu leiden hat, sondern auch weil ich dem momentanen system in opposition gegenueberstehe. ich war regelrecht angesteckt von der atmosphaere des aufbruchs, es hatte tatsaechlich den anschein, dass man diesmal was bewege. dieses feuer breitete sich über ganz oesterreich aus und erreichte schliesslich sogar deutschland und den internationalen raum, wo das in wien gepraegte „unsere uni“ als „our uni“ zum schlachtruf einer ganzen generation zukuenftiger akademiker wurde, die bildung nicht mehr mit kommerzieller verwertbarkeit, zugangsbeschraenkungen und unnoetiger buerokratie vermischt sehen wollten.

leider passierte, was passieren musste. einige politische aktionisten uebernahmen das ruder und anstelle von bildungspolitischen themen diskutierte man am plenum, warum mehr maenner am mikrophon stehen als frauen, die eigentlichen themen und ideen weichten immer mehr der fundamentalopposition nach dem motto „wer nicht fuer uns ist, ist gegen uns“. schliesslich wurde „unibrennt“ zu einer linkspolitischen plattform, irgendwann waren mehr obdachlose als studenten im audimax vor ort und geruechten zufolge waren deshalb kaum noch studenten vor ort, weil diese sich vom „gedumpsterten“ gemuese der „volxkueche“ durchfallerkrankungen zugezogen haben. schliesslich wurde geraeumt.

was folgte waren einige halbgare besetzungen von bueros, saelen, eh wieder dem audimax und ministeriumsstiegen. unibrennt war schon lange keine studentenvertretung mehr, es war der aktionistische arm politischer studenten, die dogmatisch dachten und nicht bereit waren, über irgendetwas produktiv zu diskutieren, dass auch nur einen millimeter abweichung der eigenen weltanschauung bedeutete. man diskutiert nicht ueber zugangsbeschraenkungen und studiengebuehren, man lehnt sie ab. ich bin selbst kein freund dieser loesungen, bin mir aber bewusst, dass zumindest voruebergehend eines von beiden in irgendeiner form notwendig ist. ich sage aber auch, dass dann zum beispiel die maturahuerde fallen muss, denn: wer zahlt schafft an.

jetzt wurde eben das café rosa besetzt. „alle sollen hinkommen!“ wurde ueber den café-rosa-twitteraccount verlautbart, ein bekannter folgte dem aufruf und musste feststellen, dass dies erst ab 18 uhr moeglich sei. revolution mit oeffnungszeiten. das plenum am selben abend soll eine ziemliche katastrophe gewesen sein, wo selbst alteingesessene unibrennt'ler den kopf schuetteln. immerhin hat die oeh sogar schon die homepage abgedreht und die besetzung wurde nur zwei tage spaeter schon wieder beendet. wieder einmal gescheitert, die ueberraschung ist gering.

was bleibt?
nichts. von aktionistischer seite faellt ihnen sowieso nichts mehr ein, als ewig irgendwas zu besetzen und dann zu jammern, wenn das auf wenig gegenliebe stoesst. weiters zerfleischt sich die wiener linke gerade selbst, naemlich in form der genderfrage, da erscheinen auf indymedia schon einmal voellig wirre traktate zum thema „verbaler sexueller gewalt“ bei besetzungen (inklusive „triggerwarnung“, was man sonst nur aus suizidforen kennt, wenn jemand ueber seine rasierklingen schreibt), worauf man eigentlich hinaus will, bleibt im unklaren, aber diesen stil kenne ich noch von vor vielen jahren aus dem oeh-blatt „progress“, wo es scheinbar ziel war, moeglichst viele schlagworte in einer spalte unterzubringen, ungeachtet der lesbarkeit.

mit diesem personal, mit dieser einstellung, ist nichts mehr zu gewinnen. fundamentalopposition ist kein loesungsweg, die errichtung eines politischen paralleluniversums ist ziellos, da dieses immer und immer wieder einstuerzen muss. vielleicht kommt aber auch irgendwann die erkenntnis, dass man mit slogans aus dem 20. jahrhundert heute keinen hund mehr hinter dem ofen hervorholt und dass das vielgepriesene „proletariat“ nicht auf den unis zu finden ist, mehrheitlich laengst die seiten gewechselt hat und wenig gegenliebe verspuert, wenn buergerliche akademiker proletarische revolution spielen wollen.