Freitag, 21. Oktober 2011

die neue demokratie.

man stelle sich vor: nach dem zweiten welkrieg haette man den (verbliebenen) spitzen des nationalsozialistischen deutschlands nicht den prozess gemacht, sondern sie einfach "im feld" eliminiert. es gaebe heute keine vereinten nationen. keinen internationalen gerichtshof. der holocaust, viele kriegsverbrechen und die motivation der taeter waere nie umfassend aufgearbeitet worden, viele taeter waeren nie namentlich erfasst und ebenfalls vor gericht gestellt worden. vieles, was wir heute ueber diese zeit wissen, waere unbekannt geblieben oder haette jahrzehnte an intensiver forschung benoetigt.

heute ist das anders. als erstes musste saddam hussein daran glauben. immerhin bekam er noch einen mehr oder weniger unabhaengigen prozess im eigenen land, der ausgang war aber zweifellos vorprogrammiert. die usa hatte sicher wenig interesse an einem internationalen verfahren, wie man es mit ex-jugoslawischen fuehrern durchexerzierte, da ja hussein und sein baath-partei (welche uebrigens sowas wie den "orientalischen nationalsozialismus" propagierte) von den usa ueberhaupt erst als lokalen akteur gegen die iranischen mullahs installiert wurde.

 osama bin laden hatte da weniger glueck. hier ist es ueberhaupt verzwickt: es gibt keinen faktischen beweis, dass er getoetet wurde ausser dem aufrichtigen versprechen jener menschen, die auch schon aufrichtig massenvernichtungswaffen im irak entdeckt haben wollen. rein neutral betrachtet klingt es schon etwas an den haaren herbei gezogen, dass man ihn mittels kommandoaktion in pakistan aufgegriffen, erschossen und dann umgehend im meer versenkt hat. us-amerikas staatsfeind nummer eins wird ohne jede trophaee puenktlich zehn jahre nach dem 11. september, dem hoehepunkt der abgeebbten "never forget"-welle quasi als terroristischer muell auf hoher see verklappt? nachdem man fotos und videos der toten familie hussein wochenlang als sau durch die medien getrieben hatte?

 dann kam libyen. in den letzten paar jahren taute ja das verhaeltnis zwischen gaddafi (welcher ein vertreter des "arabischen sozialismus" war) und dem rest der welt etwas auf, als schliesslich nachweislich monarchistische und islamistische guerilla-kaempfer nach gewaltsam niedergeschlagenen protesten im zuge des so genannten "arabischen fruehlings" zu den waffen griffen und gaddafis regime den krieg erklaerten. schnell formierte sich der "nationale uebergangsrat" bestehend aus ehemaligen staatsfunktionaeren und exil-libyern, man stellte diesen kampf unter die flagge der demokratie und schwupps hatte man nach erfolgtem un-mandat (wie schon beim fall irak 2003) die nato an bord. diese flog mit der vorgabe "menschenrechte zu wahren" monatelang bombenangriffe auf (zivilie) objekte in von der regierung kontrollierten gebieten, waehrend die "rebellen" schwarzafrikanische gastarbeiter ermordeten und gaddafi-loyalisten "hinter der front" folterten. man kann zu gaddafi stehen wie man will, dieser konflikt ist unterm strich nichts anderes als ein postkolonialistisches aufbegehren europas und der usa um dieses gebiet unter ihre kontrolle zu bekommen. warum sonst bekommen gerade ausgerechnet kriegsbefuerworter wie frankreich oder england jetzt "besondere behandlung" bei der auftragsvergabe durch die neue, nicht gewaehlte, demokratische regierung? eine regierung, die zwar fuer demokratie kaempft, wie sie behauptet, aber gleich einmal festgelegt hat, dass es so bald keine wahlen geben wird. 

nun haben sie gaddafi also gefangen. und sofort umgebracht. davon gehen jetzt hemmungslos fotos durch die welt, eines blutruenstiger als das andere (interessant, wenn man an die ernste pietaet bei bin laden denkt). man sprach zwar monate davon, gaddafi nach den haag zu bekommen, endlich faelle wie lockerbie lueckenlos aufklaeren zu wollen, gerechtigkeit fuer die opfer seiner herrschaft zu bekommen - was uebrig blieb war die kalte rache einiger irregulaerer kombattanten, die geil auf ein souvenierfoto mit dem getoeteten teufel waren. der westen kann jetzt erleichtert aufatmen: gaddafi ist tot, zwei seiner einflussreichsten soehne ebenfalls, regierungsgebaeude, aemter und archive wurden von den kaempfern gepluendert oder der nato zerbombt. es wird nichts mehr geben, vor dem man sich fuerchten muesste, niemand wird aussagen, inwieweit geschaeftliche beziehungen gingen, wer wovon wann profitierte und wer was wusste. man waescht seine haende in unschuld.

und derzeit im westen? hier wird die wallstreet besetzt, staaten verbrennen ihr geld in der bankenrettung, die wahlbeteiligung sinkt ins bodenlose, politiker nehmen sich selbst nicht mehr ernst - da bleibt mir nur noch zu sagen: willkommen in der neuen freiheit, libysches volk!