Freitag, 21. Oktober 2011

spindeleggers aufruf zum verfassungsbruch - eine interviewnachlese.

oesterreichs vizekanzler und vp-chef spendelegger ruft in einem interview mit dem standard offen zum verfassungsbruch auf. wie bereits an dieser stelle geschrieben versucht der schwarze wissenschaftsminister toechterle, dessen resort auch die universitaeten unterstellt sind, mittels eines fragwürdigen gutachtens durch wu-rektor mayer neuerlichen studiengebuehren eine hintertuer zu oeffnen.

spindelegger ist fest davon ueberzeugt, dass es wieder studiengebuehren braucht. er begruendet das wie folgt:

Jemand, der ein akademisches Studium betreibt und nachher eine Akademikerkarriere macht, hat es besser als jemand, der das nicht hat. Von dem darf ich auch verlangen, dass er einen Beitrag leistet.“

abgesehen davon, dass dies eine aeusserst gewagte these ist, ist es ebenso ein schlag ins gesicht der „unstudierten“ arbeiter und angestellten. dass ein abgeschlossenes studium, egal welcher richtung, heute kein garant mehr fuer irgendetwas ist: wie soll jemand, der in ausbildung ist, vorauseilend einen „beitrag leisten“, wenn es oft nicht einmal fuers leben reicht? und an wen eigentlich? den oeffentlichen, vom steuerzahler auch dann weiterfinanzierten universitaeten oder direkt in die bilanz der finanzministerin? das ist in etwa so, als wuerde man von einem lehrling verlangen, seinem lehrmeister ausbildungsgeld zu zahlen, da man so „seinen beitrag leisten“ koenne. weiters ist es auch so, dass akademiker nicht per se mehr verdienen - diese zeiten sind schon lange vorbei. nicht umsonst spricht man (teils) scherzhaft zum beispiel bei philosophie vom „taxlerstudium“. leider. dass geisteswissenschaften immer mehr an bedeutung verlieren, weil sie nicht schnell wirtschaftlich verwertbar sind sondern laengerfristig kultur und geisteswesen ganzer generationen bewahren, dazu komme ich ein anderes mal. was aber sagt eigentlich bundeskanzler faymann dazu? immerhin hat er es als „einfacher“ maturant bis zum bundeskanzler geschafft! ganz ohne universitaet!

es geht weiter:

Wir leben in einem Rechtsstaat. Es gibt jetzt ein Rechtsgutachten von einem geachteten Verfassungsjuristen. Wenn auch andere das so sehen und wenn sich die Rechtsmeinung durchsetzt, dass man das so machen kann, dann sollte man das auch probieren - wenigstens an einer Uni. Letztlich gibt es die Möglichkeit, das einzuklagen und dann im Rechtsweg zu einer Entscheidung zu kommen. Die Unis haben eine Autonomie, sie sollten diese auch nutzen.“

mit anderen worten, um bekannterweise goethe zu zitieren: „und bist du nicht willig, so brauch ich gewalt!“. spindelegger ruft hier - sich frech auf den rechtsstaat berufend - zum offenen verfassungsbruch auf. der korrekte dienstweg wuerde lauten: gutachten, prüfung, verfassungsgerichtshof, entscheidung, handlung. spindelegger verlangt hier allerdings: zuerst schiessen, dann fragen. wenn ich nun kommenden montag eine bank ueberfalle und dann vor dem richter argumentiere „ich dachte mir, versuchen kann man es ja mal, sie werden mir dann schon sagen, ob es okay war oder nicht!“ wird man mich eher nicht frei gehen lassen. man muss sich auch auf der zunge zergehen lassen, dass gerade diese oevp ein gesetz durchgepeitscht hat, welches jede positive auesserung und noch so entfernte verbindung mit terrorismus drakonisch unter strafe stellt. will man hier einen praezedenzfall in den eigenen reihen schaffen?

dass es eigentlich ein - mehrheitlich beschlossenes - gesetz gibt, welches studiengebuehren abgeschaffen hat, kommentiert „unser“ vizekanzler so:

Den gab es, das ist richtig. Aber die Ausgangslage ist heute eine andere. Große Teile des Gesetzes wurden vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.“

wenn dem so ist, was ich jetzt nicht bestaetigen kann, dann gehoert regulaer ein neues gesetz mit mehrheitsbeschluss her, kein verfassungsrechtlicher stunt, um mit gewalt zum gewuenschten ergebnis zu kommen. die oevp haette es doch so leicht, ist die spoe doch schon lange dafuer bekannt, frueher oder spaeter vor der vp in die knie zu gehen und nach ihrem mund reden zu lassen - cap wird das schon irgendwie mit erstarrter miene argumentieren koennen. prinzipiell kann man ein gesetz nicht einseitig fuer tot erklaeren und dann machen, wie man glaubt.

letztlich kann ich nur sagen, es ist schaebig, wenn politiker zwar milliarden (in euro, frau fekter) fuer banken und wirtschaftlich suizidierte laender quasi aus dem nichts verteilen koennen, aber universitaeten nur ueber gebuehren zu finanzieren sein sollen. besonders toll ist es, wenn man das dann mit den usa vergleicht, wo das ja „gang und gebe“ ist. richtig: da zahlt man aber auch pro semester den durchschnittlichen jahreslohn eines besseren oesterreichischen angestellten und wird von nobelpreistraegern und koriphaen des jeweiligen gebietes unterrichtet. im gegenzug sind die community colleges allen zugaenglich. wenn man vor 30 jahren selbst gefuehlte 400 semester studiert hat - kostenlos! - damit man nebenbei zeit hat, seine politische karriere aufzubauen und auf kosten von mama und papa zu leben, dann ist es unvertretbar, in zeiten von sinkenden gehaeltern, steigenden abgaben und immer weniger jobs gebuehren zu verlangen.

wenn es ihnen, herr toechterle und herr spindelegger, so wichtig ist, dass die akademiker von morgen heute ihren beitrag leisten: wie waere es, wenn sie, sobald die tarife feststehen, nachtraeglich die gebuehren einzahlen? als symbol, dass sie hier nicht nur solidaritaet fordern, sondern auch leben? oder wuerde ihnen beim anblick der endsumme schlecht werden?

ich kann ihnen versichern: den heutigen studenten ist nur bei gedanken daran fuerchterlich schlecht.